Der Einkauf im Energiesektor spielt eine Schlüsselrolle in der Energiewirtschaft. Er beeinflusst nicht nur die Kostenstruktur von Unternehmen, sondern auch deren CO₂-Bilanz und Nachhaltigkeitsziele. Anders als in vielen Branchen ist der Einkauf hier eng mit volatilen Energiemärkten, regulatorischen Rahmenbedingungen und geopolitischen Einflüssen verknüpft. In diesem Artikel geben wir einen Überblick über die Besonderheiten des Energieeinkaufs, gehen auf aktuelle Herausforderungen ein, insbesondere im Kontext der Klimakrise und strategische Zukunftsperspektiven.
Der direkte Energieeinkauf umfasst die strategische und operative Beschaffung von Strom und Gas. Zu den zentralen Aufgaben gehören:
Der Energiemarkt ist hochvolatil, was den Einkauf besonders anspruchsvoll macht sowohl zeitlich als auch preislich.
Der Energiehandel erfolgt grundsätzlich auf zwei Wegen: über regulierte Energiebörsen als zentrale Handelsplätze oder über den außerbörslichen OTC-Handel.
In Deutschland wird der Strom immer noch zu etwa 75% außerbörslich gehandelt. Die Preise orientieren sich aber trotzdem stark an den Börsen Preisen.
Der Zeitpunkt und die Dauer von Beschaffungsverträgen haben erheblichen Einfluss auf die Energiepreise. Spotmarktpreise können tagesabhängig stark schwanken, während langfristige Futures-Preise mehr Planungssicherheit bieten. Strategische Einkaufsplanung berücksichtigt daher Markttrends, politische Einflüsse und saisonale Faktoren.
Der indirekte Einkauf im Energiesektor umfasst alle Beschaffungsaktivitäten für Güter und Dienstleistungen, die nicht direkt als handelbare Energieprodukte verkauft werden, aber für den Geschäftsbetrieb von Energieunternehmen unverzichtbar sind. Dazu gehören:
Produktionsanlagen als langfristige Investitionsgüter:
Netzinfrastruktur:
Darüber hinaus gibt es folgende Kategorien:
Besonders komplex gestaltet sich die Beschaffung kritischer Infrastrukturtechnologien, da diese höchste Sicherheits- und Verfügbarkeitsstandards erfüllen müssen. Moderne Energieunternehmen setzen zunehmend auf digitale Procurement-Plattformen, um den indirekten Einkauf zu optimieren, Compliance-Anforderungen zu erfüllen und durch strategische Lieferantenpartnerschaften Kosteneinsparungen zu realisieren.
Auch die Integration von ESG-Kriterien wird dabei immer wichtiger, da Energieunternehmen ihre gesamte Wertschöpfungskette nachhaltiger gestalten müssen.
Im Gegensatz zu anderen Branchen ist der Energieeinkauf stärker von politischen Entscheidungen, staatlicher Regulierung (z. B. EEG, CO₂-Bepreisung) und Marktdynamik beeinflusst. Zudem hat der Einkauf direkten Einfluss auf die CO₂-Bilanz von Unternehmen. Das ist ein Unterscheidungsmerkmal mit wachsender strategischer Bedeutung.
Der Energiemarkt ist in den vergangenen Jahren zunehmend von Preisvolatilität geprägt. Die Ursachen dafür sind vielfältig.
Einflussfaktoren wie geopolitische Konflikte, regulatorische Eingriffe und die Verknappung fossiler Ressourcen greifen ineinander und erzeugen eine Dynamik, die langfristige Planung erschwert. Diese Volatilität betrifft sowohl den direkten Einkauf (handelbare Energieprodukte wie Strom, Gas, Öl und Emissionszertifikate) als auch den indirekten Einkauf (Produktionsanlagen, Infrastruktur und Dienstleistungen), wobei letzterer durch längerfristige Investitionszyklen und komplexere Lieferketten besonders vulnerabel ist.
Besonders prägnant war der Preisschock im Zuge des Ukrainekriegs: Vor Kriegsbeginn stammten rund 55 % des deutschen Erdgases aus Russland (Stand 2020). Durch den Wegfall dieser Liefermengen und die Zerstörung kritischer Infrastruktur, wie den Nord-Stream-Pipelines, vervielfachten sich die Preise innerhalb kürzester Zeit. Der Preis für Erdgas am europäischen TTF-Handelspunkt erreichte im März 2022 einen Rekordwert von 320,4 (siehe Abbildung), verglichen mit einem Indexwert von rund 100 vor der Krise. Auch Strom und leichtes Heizöl waren massiv betroffen.
Der indirekte Einkauf wird durch sekundäre Effekte noch stärker getroffen: Windpark-Komponenten verteuerten sich durch gestiegene Stahlpreise. Solarpanel-Lieferketten aus Asien wurden durch Energieknappheit und Logistikprobleme unterbrochen. Außerdem wurde die IT-Infrastruktur für Energiehandelsplattformen durch Halbleiter-Engpässe verzögert. Wartungs- und Instandhaltungskosten stiegen überproportional, da spezialisierte Dienstleister ihre Preise an die gestiegenen Energiekosten anpassen. Engineering-Services und Beratungsleistungen wurden durch die erhöhte Nachfrage nach Energieeffizienz-Projekten und Compliance-Beratung deutlich teurer.
Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die gestiegene Nachfrage nach Alternativen Quellen, sowie durch gestiegene CO₂-Preise. Die Erhöhung der CO₂-Zertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandels machte fossile Energieerzeugung deutlich teurer. Der CO₂-Preis lag 2021 noch bei 25€ pro Tonne, heute hat sich der Preis mehr als verdoppelt und liegt bei 55€ pro Tonne. Hinzu kam das Auslaufen temporärer Entlastungsmaßnahmen wie die Mehrwertsteuersenkung auf Gas und Soforthilfen im Dezember 2022, die zuvor preisdämpfend gewirkt hatten. Mit dem Wegfall dieser Maßnahmen stieg der Verbraucherpreisindex erneut an, insbesondere im Frühjahr 2023.
Diese extreme Volatilität erschwert es Unternehmen, ihre Energieausgaben realistisch zu kalkulieren. Langfristige Verträge werden riskanter, weil zukünftige Entwicklungen kaum vorhersehbar sind. Gerade der indirekte Einkauf steht vor besonderen Herausforderungen: Investitionsentscheidungen für Windparks oder Kraftwerke mit 20-30 Jahren Laufzeit müssen unter extremer Unsicherheit getroffen werden, während gleichzeitig Lieferantenverträge für kritische Infrastruktur-Services flexibilisiert werden müssen. Energieintensive Branchen müssen daher ihre Einkaufsstrategien grundlegend überdenken und stärker auf Risikoabsicherung sowie diversifizierte Beschaffungsportfolios setzen.
Energieeinkäufer müssen sich in einem dichten Geflecht nationaler und europäischer Regelungen bewegen:
Diese Regulatorien und viele weitere Vorschriften beeinflussen die Einkaufsentscheidungen. Vertragsrisiken, Meldepflichten und ESG-Compliance sind wichtige Themen.
Globale Lieferketten und kritische Infrastruktur wie Stromnetze, Gaspipelines und LNG-Terminals sind anfällig für Störungen durch Cyberangriffe, Sabotageakte oder Bauverzögerungen. Diese Risiken wirken sich direkt auf die Versorgungssicherheit und damit auch auf Einkaufsstrategien aus.
Cyberangriffe auf Energienetze
In Europa wurden seit 2022 tausende Cyberangriffe auf Strom- und Gasnetze gemeldet; die Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt vor ernsten Folgen für Versorgungssicherheit.
Sabotage bei Netzinfrastruktur
Im September 2022 kam es zu Explosionen an den Nord Stream-Pipelines, was umfangreiche Gasausfälle und geopolitische Verwerfungen auslöste.
In Deutschland wurde 2022 ein Fiberglas-Kabel der Bahn zerstört. Ebenfalls ein Symbol einer möglichen Sabotage gegen kritische Infrastruktur.
Verzögerungen beim Bau von LNG-Terminals
Das LNG-Terminal Stade in Norddeutschland verzögert sich seit Monaten, weil das „FSRU“-Schiff abgezogen wurde.
Auswirkungen auf den indirekten Energieeinkauf
Auch im indirekten Energieeinkauf gewinnen Echtzeitdaten zunehmend an Bedeutung. Energiepreise, CO₂-Intensität und regulatorische Anforderungen wirken sich stark auf die Auswahl und Bewertung von Lieferanten und Produkten aus.
Dazu braucht es:
Viele Unternehmen stoßen jedoch auf Herausforderungen:
Auch wer nicht direkt Energie beschafft, ist von ihrer Preis- und Emissionsentwicklung betroffen. Der indirekte Energieeinkauf muss in die digitale Steuerung und Bewertung eingebunden werden, für fundierte Entscheidungen, regulatorische Sicherheit und klimabewusste Lieferketten.
Die Energieversorgung ist mit rund 40 % der weltweiten CO₂-Emissionen der größte Einzelverursacher der Klimakrise. Damit steht sie im Zentrum klimapolitischer Maßnahmen.
Initiativen wie das Pariser Klimaabkommen, der EU Green Deal, die EU-Taxonomie oder nationale Maßnahmen wie das Klimaschutzgesetz in Deutschland fordern Unternehmen auf, auch ihren indirekten Energieverbrauch systematisch zu dekarbonisieren.
Für den indirekten Energieeinkauf heißt das:
Die Dekarbonisierung der Beschaffung wird damit zur strategischen Pflicht und zur zentralen Aufgabe im klimabezogenen Risikomanagement.
Nachhaltiger Energieeinkauf bedeutet, bei der Beschaffung nicht nur auf den Preis, sondern auch auf ökologische, soziale und ökonomische Auswirkungen zu achten. Für den indirekten Energieeinkauf heißt das konkret: Unternehmen prüfen die Energie- und Emissionsprofile ihrer Vorprodukte, Lieferanten und Dienstleistungen.
Im Fokus stehen dabei:
Ein nachhaltiger Einkauf trägt so direkt zur Reduktion von Scope-2- und Scope-3-Emissionen bei und erfüllt zugleich wachsende Anforderungen von Politik, Investoren und Öffentlichkeit. Er ist kein Add-on mehr, sondern Voraussetzung für eine zukunftsfähige Beschaffungsstrategie.
Ein nachhaltiger Einkauf schützt nicht nur das Klima, sondern verschafft Unternehmen auch klare wirtschaftliche und strategische Vorteile. Wer bereits heute konsequent auf emissionsarme und energieeffiziente Produkte sowie Lieferanten setzt, profitiert auf mehreren Ebenen:
Kurzum: Nachhaltigkeit im indirekten Energieeinkauf ist kein Kostentreiber, sondern ein strategischer Hebel, um Resilienz, Effizienz und Zukunftsfähigkeit zu sichern.
Energiepreise unterliegen starken Schwankungen bedingt durch geopolitische Entwicklungen, CO₂-Bepreisung, Wetterextreme oder Nachfrageverschiebungen. Für indirekt einkaufende Unternehmen bedeutet das: Auch wenn sie Energie nicht selbst beschaffen, sind ihre Lieferanten, Materialien oder Dienstleistungen stark von diesen Schwankungen betroffen. Um langfristige Kostenstabilität zu sichern, sind gezielte Absicherungsstrategien im Einkauf erforderlich.
Wichtige Instrumente dabei sind:
Eine durchdachte Risikoabsicherung im Energieeinkauf ist auch für indirekt betroffene Unternehmen entscheidend. Sie schützt nicht nur vor kurzfristigen Preisspitzen, sondern sichert langfristige Wettbewerbsfähigkeit – insbesondere in energieintensiven Branchen.
Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, auch die Nachhaltigkeit und Verantwortung ihrer Lieferkette nachzuweisen.
1. Umweltleistung & CO₂-Bilanz
Lieferanten, die ihren CO₂-Fußabdruck kennen, dokumentieren und reduzieren, sind im Vorteil. Besonders wichtig:
2. Zertifizierungen & Nachweise
Zertifikate zeigen, dass Nachhaltigkeit strukturell verankert ist. Besonders gefragt:
3. Transparenz & Rückverfolgbarkeit
Woher kommt ein Produkt? Wie energieintensiv ist es hergestellt? Wer sind die Vorlieferanten?
4. Audits & externe Ratings
Unabhängige Bewertungen machen Nachhaltigkeit vergleichbar:
Tipp für Einkaufsverantwortliche Nutze ein standardisiertes ESG-Scoring-Modell oder integriere Nachhaltigkeit in dein SRM-Tool. So wird ESG nicht zur Zusatzaufgabe, sondern zum Teil deiner Routineprozesse – und schafft langfristig echten Mehrwert.
Moderne Procurement-Lösungen ermöglichen die Analyse großer Datenmengen, automatisierte Ausschreibungen und transparente Berichte. KI-gestützte Prognosen helfen bei der Bewertung zukünftiger Entwicklungen.
Der indirekte Energieeinkauf steht an einem Wendepunkt: Was früher als operatives Supportfeld galt, wird heute zum strategischen Treiber für Dekarbonisierung, Digitalisierung und Resilienz. In einer Zeit, in der die Energiekosten schwanken, ESG-Vorgaben steigen und digitale Technologien ganze Lieferketten verändern, wird die Rolle des Einkaufs neu definiert.
Unternehmen, die ihren Einkauf vorausschauend ausrichten, können:
Künftige Entwicklungen wie CO₂-Zölle, automatisierte Handelsplattformen, Blockchain-basierte Lieferketten oder KI-gestützte Risikoanalysen werden den Einkauf weiter verändern. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Regelkonformität, ESG-Scoring und Datenintegration.
Der indirekte Energieeinkauf wird damit nicht nur zum Schlüsselfaktor für Effizienz und Compliance, sondern zum aktiven Mitgestalter der Energiewende. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um das eigene Einkaufsverständnis strategisch weiterzuentwickeln.
Der indirekte Energieeinkauf hat sich vom Nebenschauplatz zum strategischen Steuerungsinstrument entwickelt. Zwischen Energiepreiskrisen, Klimazielen und Digitalisierung wird deutlich: Wer heute passiv einkauft, riskiert morgen nicht nur höhere Kosten, sondern auch regulatorische Konflikte und Reputationsverluste. Die Anforderungen steigen – aber auch die Möglichkeiten, durch datenbasierte, nachhaltige und risikoorientierte Strategien echten Mehrwert zu schaffen.
Empfohlene Maßnahmen für Einkaufsverantwortliche:
Wer den indirekten im Energiesektor heute strategisch ausrichtet, gestaltet nicht nur Effizienz und Resilienz im Unternehmen, sondern leistet einen aktiven Beitrag zur klimaneutralen Zukunft der Energiebranche.
Indirekter Energieeinkauf bezeichnet die Beschaffung aller Güter und Dienstleistungen, die nicht direkt als Strom oder Gas gehandelt werden, aber für den Energie- und Netzbetrieb notwendig sind – etwa IT-Systeme, Transformatoren, Wartungsleistungen oder Windparkkomponenten.
Die CO₂-Bepreisung verteuert fossile Energieträger wie Erdgas, Heizöl oder Kohle. Energieeinkäufer:innen müssen diese Preisentwicklung einkalkulieren und emissionsarme Alternativen strategisch priorisieren, um Kosten und regulatorische Risiken zu senken.
Geopolitische Krisen (z. B. Ukrainekrieg), CO₂-Zertifikate, Sabotageakte an Pipelines oder das Auslaufen staatlicher Hilfen führen zu extremen Schwankungen bei Strom- und Gaspreisen. Diese Volatilität erschwert Budgetplanung und Vertragsgestaltung.
Einkäufer:innen müssen sich an eine Vielzahl von Regelwerken halten, darunter: - EEG (Förderung erneuerbarer Energien), - EU-Taxonomie (Nachhaltigkeit von Investitionen), - CSRD (Nachhaltigkeitsberichterstattung), - BEHG / EU-ETS (CO₂-Bepreisung), - LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichten). - Diese Gesetze beeinflussen Einkaufskriterien, - Dokumentationspflichten und ESG-Compliance. These laws influence purchasing criteria, documentation requirements and ESG compliance.
Digitale Tools wie Procurement-Plattformen, KI-gestützte Marktanalysen und automatisierte Ausschreibungen ermöglichen eine datengetriebene, resiliente und nachhaltige Einkaufsstrategie – insbesondere im indirekten Einkauf mit komplexen Lieferketten.
Nachhaltiger Energieeinkauf bedeutet, emissionsarme Produkte, grüne Stromverträge (z. B. PPAs) und zertifizierte Lieferanten zu bevorzugen. Durch CO₂-Bilanzen, Herkunftsnachweise und ESG-Kriterien kann der Einkauf aktiv zur Dekarbonisierung beitragen.
Weil er einen großen Einfluss auf Versorgungssicherheit, Emissionsbilanz und Resilienz hat. IT-Systeme, Netzinfrastruktur und technische Dienstleistungen müssen effizient, nachhaltig und krisensicher beschafft werden – besonders angesichts wachsender ESG- und Compliance-Anforderungen.